Liebe Andrea,
nicht
vertagt, nur verschoben – meine Gefühle und Gedanken, u.a. zu
Engeln und Dämonen, sowie ein paar Gedankengänge, die sich bei
diesem Thema mit eingeschlichen haben.
Gefühle machen das Leben wirklich zur Herausforderung. Klar, alle vier Punkte des Kodex sind wichtig. Aber den Dritten empfinde ich als den Anspruchsvollsten. Und er passt sehr zu dieser Thematik. Sich durch nichts vom Weg abbringen lassen, die Tugend des Wagens, unerschrocken sein. Wo bin ich nach wie vor mit meinen Gefühlen nicht im Einklang, nicht so wie ich mich in meinem Ideal anstrebe? Hier zeigt sich, ob Überzeugung, Glaube, Loyalität etc. Bestand haben oder nur Worthülsen bleiben. Oder platt gesagt, Butter bei die Fische....
Du schreibst: Was es gibt, sind verschiedene Darstellungen des Lebensbaums aus unterschiedlichen Zeiten und Kontexten, die heute (!) bzw. aus heutiger Perspektive interpretiert werden, und oft eben auch von Menschen, die sich mit der Qabbalah nicht näher beschäftigt haben.
Da würde ich weiter gehen. Das ist ja kein Problem der Qabbalah alleine. Reine Sachverhalte sind wesentlich leichter zu verstehen. Bei Menschen gibt es einfach viel mehr Interpretationsansätze durch die emotionale Nuancen-Vielfalt. Und was ist gefühlsbetonter als eine visionäre Erfahrung? Da ist doch mindestens eine gehörige Portion Euphorie dabei, oder wie siehst Du das?
Ja, man muß immer auf die Blickachse und die Bedeutungsebene achten, auf der Kommunikation z.B. mittels Texten stattfindet. Je weiter ich mich „raus“/ „höher“/ „nach oben“ begebe, desto verfälschter wird die „Übersetzung“ zurück in menschliche Sprache. Wenn ich nun etwas sehe und es notiere, sind die „Bilder“ von meiner Persönlichkeit eingefärbt. Nun hat jemand einen Wagen beschrieben mit vier Rädern, die in alle Richtungen laufen können usw. Das macht die Überlieferungstradition notwendig. Wenn ich in mein Tagebuch schreibe: „Begegnung erinnerte mich an Apfelkuchen“ weiß schon heute niemand, was ich damit meinen könnte – außer eben den wortwörtlichen „Apfelkuchen“. Alles andere bleibt Spekulation.
Man muß in Metaphern sprechen, um innerhalb der materiellen Ebene über andere Ebenen kommunizieren zu können. Das bekannteste Beispiel für dadurch entstehende Mißverständnisse sind wahrscheinlich die Auslegungsversuche der Heiligen Schriften. Ohne den spirituellen Blickwinkel verlaufen die rein weltlichen, wortwörtlichen Deutungsansätze im Sand. Gerade in Bereichen, die man nicht „anfassen“ kann. Sogar einen Sonnenuntergang würde jeder anders beschreiben. Und den können alle mit „realen“ Augen sehen. Aber alle erleben ihn mit anderen Gefühlen.
Wenn ich die bei Apokalyptikern beliebte Offenbarung als Beispiel nehme, heißt es in 2,7: „Dem, der überwindet, dem werde ich zu essen geben von dem Baum des Lebens...“ Läßt sich leicht auf die qabbalistische Pfadarbeit beziehen.
Der vermutlich bekannteste Abschnitt mit dem Satan und den 1000 Jahren ist in 20,7 zu finden. Nun könnte ich hier mal wild die Blickrichtung wechseln. (Ich behaupte nicht, daß ich den folgenden Inhalt auch vertrete). Wenn man schaut, was etwa alle tausend Jahre an langfristigen Umwälzungen begonnen hat und man demnach seine festgefahrene Bequemlichkeit loslassen mußte, dann ist der, der einen vom Sofa wirft selbstredend der böse Teufel, wenn man die Notwendigkeit zur Veränderung nicht sehen will. Sowohl individuell als auch global gesehen, hängt es davon ab, wie sehr man im „evolutionären Flow“ ist, ob man Transformation, also größere Veränderungen oder Bewußtseinswandel als etwas „Gutes“, weil Nötiges, ansieht oder nicht. Im Alltag zieht es einen dummerweise auch am Liebsten zu den schönen Zeiten und alles andere will man möglichst nicht. Ich nehme mich da gar nicht raus, selbst wenn ich mir dessen bewußt bin, daß beide Seiten zum Leben dazugehören, finde ich die schönen seltsamerweise angenehmer... ;-)
Die Frage der Unterscheidungskraft: was ist Metapher, was ist wortwörtlich zu verstehen, was ist ein Rätsel, um etwas oder jemanden zu schützen.
Bezogen
auf die schriftlichen, geschichtlichen Quellen derer man sich bedient
um die Existenz von Engeln oder Dämonen zu belegen, würde ich
beleglos behaupten, daß sich beide Seiten relativ die Waage halten
dürften. Also egal ob Engelserscheinung oder Dämonenintervention. Wie kann es jedoch sein, daß ich zwei Wesen aus den selben Texten aufteile in echt und unecht?
Wenn ich das, was Du schreibst richtig interpretiert habe, dann wären demnach nur die Engel als selbst denkende Wesen, eine als höhere Kraft akzeptierte Form. Und Dämonen gleichzeitig nur von uns Menschen selbst gemachte Gemütszustände oder höchstens rudimentäre Entitäten. Anders gesagt, alles, was uns gefährlich werden kann, käme demnach von innen heraus, aus uns selbst.
Umfassend betrachtet habe ich andere Eindrücke. Bis zu einem geringen Teil stimme ich Dir zu. Zum Beispiel können Familienmitglieder generationsübergreifend (ganz unbewußt) das erschaffen, was man einen Hausgeist nennt. Das wäre das, was ich ein Wesen nennen würde, das als menschengemachte Gedankenform entstanden ist. Und analog dazu könnten bestimmt auch energetisch starke Menschen mittels gebündelter Kräfte und sehr starker Gedankenformen etwas erschaffen, was man als komprimierten Aspekt oder Dämon bezeichnen könnte.
Wenn ich von Ebenen rede, die nicht materieller Natur sind und gleichzeitig davon ausgehe, daß ich bei Engeln oder Dämonen von physisch manifestierbaren (oder zumindest sichtbar in diese Ebene herbei rufbaren) Wesen ausgehe, ist der Denkfehler an für sich offensichtlich. Auch religiös motivierte Erscheinungen fallen für mich in diese Kategorie. Je „höher“ die Kräfte, desto weniger anthropomorph, bis es irgendwann „nur“ noch um Aspekte geht.
Die Ansicht, nur Engel als eine höhere Kraft anzusehen (im Sinne von energetisch über dem Mensch stehend), teile ich hingegen nicht. Oder verstehe ich Dich hier falsch?
Das passiert allerdings, wenn ich nicht "spontan widerspreche", es wird etwas länger. Entschuldige bitte.
Liebe Grüße,
Alena