Hallo Aleshanee,
das Bild ist mir auch schon häufiger begegnet und ich musste jedes Mal innehalten und mir Gedanken darüber machen, was es bedeuten könne.
Der Künstler ist unbekannt, jedoch steht im Buch von Flammarion ein Text zu dem Bild, das diesen illustrieren soll, der im Original lautet:
"… Ein naiver Missionar des Mittelalters erzählt sogar, dass er auf einer seiner Reisen auf der Suche nach dem irdischen Paradiese den Horizont erreichte, wo der Himmel und die Erde sich berühren, und dass er einen gewissen Punkt fand, wo sie nicht verschweißt waren, wo er hindurch konnte, indem er die Schultern unter das Himmelsgewölbe beugte. …"
Wikipedia schreibt dazu, dass Flammarion als Quelle der Erzählung auf eine Passage in den Lettres des französischen Skeptikers François de La Mothe le Vayer verweist. Dieser spricht in den Remarques Geographiques (1662) einleitend von seinem Ärger über die Weitergabe und schriftliche Wiedergabe angeblicher Erlebnisse oder offensichtlicher Lügenmärchen durch Reiseerzähler beziehungsweise Historiografen, die als Geografen auftreten. Der Originaltext von François lautet:
„Dieser gute Anachoret, der sich brüstete bis an den Rand der Welt gekommen zu sein, erzählte gar, dass er sich gezwungen gesehen hätte dort kräftig die Schultern zu beugen, wegen der Vereinigung des Himmels und der Erde an diesem äußersten Ende. Doch wie man viele fabelhafte Geschichten findet in dieser Sorte von Lektüre, […]“
Was sieht man auf dem Bild?
Rechts die Erde mit ihrer Natur, Städte, Sonne, Mond und Sterne.
Mitte ein Mann mit Stab, der das "Himmelszelt" durchbricht und in eine andere Welt schaut.
Links die andere Welte mit stürmischen Woken, Feuer, strahlendem Licht, ein Doppelrad und zwei runde Objekte.
Der Rahmen des Bildes enthält verschiedene Figuren und Ornamente sowie gotischähnliche Säulen und eine offene Schriftrolle.
Meine Interpretation:
Das Doppelrad ist schon sehr auffällig. Dieses wird häufig als Symbol für den Thronwagen (Merkaba) Gottes verwendet, auf dem er die Botschaft für die Menscheit brachte. Gott mit seinem Thronwagen soll dem Propheten Ezechiel erschienen sein. FolgenderText spielt eine herausragende Rolle in der jüdischen Kabbala, in der mündlichen jüdischen Überlieferung und in der christlichenMystik.
„Ich sah: Ein Sturmwind kam von Norden, eine große Wolke mit flackerndem Feuer, umgeben von einem hellen Schein. Aus dem Feuer strahlte es wie glänzendes Gold. Mitten darin erschien etwas wie vier Lebewesen. Und das war ihre Gestalt: Sie sahen aus wie Menschen. […] Ich schaute auf die Lebewesen: Neben jedem der vier sah ich ein Rad auf dem Boden. Die Räder sahen aus, als seien sie aus Chrysolith gemacht. Alle vier Räder hatten die gleiche Gestalt. Sie waren so gemacht, dass es aussah, als laufe ein Rad mitten im andern. Sie konnten nach allen vier Seiten laufen und änderten beim Laufen ihre Richtung nicht. Ihre Felgen waren so hoch, dass ich erschrak; sie waren voll Augen, ringsum bei allen vier Rädern. […] Über den Köpfen der Lebewesen war etwas wie eine gehämmerte Platte befestigt, furchtbar anzusehen, wie ein strahlender Kristall, oben über ihren Köpfen. […] Oberhalb der Platte über ihren Köpfen war etwas, das wie Saphir aussah und einem Thron glich. Auf dem, was einem Thron glich, saß eine Gestalt, die wie ein Mensch aussah. […]“– Ezechiel
Das Doppelradsymbol ist aber auch ein altes, gebräuchliches Gottessymbol für den „unbewegten Beweger“ oder „primum movens“, was als Vorstellung noch auf Aristoteles zurückgeht.
Dieser Text erinnert mich sehr an das von dir erwähnte Bild. Hier zum Vergleich ein Kupferstich der Vision von Ezechiel:
https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Ezekiel-Vision-Merkaba.jpg
In diesem Bild sind sehr ähnliche Elemente wie in dem von Flammarion. Jedoch ist einer der größten Unterschiede, dass die Erde tatsächlich als Scheibe dargestellt wird.
Warum wird das so dargestellt? Noch heute ist zum Teil der Irrglaube weit verbreitet, dass die Erde, auf der wir leben eine Kugel ist. Jedoch ist das falsch! Wir leben auf einer Scheibe, die von vier Elefanten getragen wird, die wiederum von einer Schildkröte getragen werden, die durch das Weltraum schwebt....
Späßchen am Rande. Aber tatsächlich ist noch heute teils der Irrglaube verbreitet, dass die flache Erde das Weltbild zu Ende des Mittelalters darstellt. Es ist historisch nicht fundiert und teils widerlegt worden.
Wocher also das Bild der flachen Erde, wenn die Menschen mindestens seit der Antike wissen, dass die Erde eine Kugel ist? Dazu muss man sich das Jahr anschauen, in dem das Bild entstanden ist. Es handelt sich um die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. In dieser Zeit entwickelte sich die Vorstellung von einem "dunklen Mittelalter".
Dieser soll unter den Verwüstungen der Völkerwanderung sowie der dogmatischen Zensur der Kirche die Bildung der Antike verlorengegangen seien und auch die antiken Erkenntnisse über die Kugelgestalt der Erde dem Bild einer flachen Erde als Scheibe gewichen sein sollen.
Zurück zum Bild: Wenn es wirklich diesen Wanderer gab, der erzählte, dass er dieses Erlebnis hatte, so war dieser Wander ein gläubiger und bibelkundiger Mensch, der lediglich die Zeilen von Ezechiel widergab.Und dieses Bild ist eine Illustration dessen in Kombination eines Irrglaubes über das Mittelalter.
Jedoch ist dadurch die Textpassage von Ezechiel umso interessanter, die wiederum würdig ist näher beleuchtet zu werden (was ich aber hier in dieser Antwort nicht machen werde ;P). Aber, um auf Aleshanees eine mögliche Interpretation zu verweisen, könnte der Textabschnitt tatsächlich auf eine detaillierte Beschreibung eines Raumschiffes hindeuten (Rakete, Ufo o.ä.). Was interessant wäre, denn in den Vedischen/Wedischen Schriften, existieren ähnliche Beschreibungen über sogenannte Vaitmanas, die Transportmittel/Raumschiffe der Menschengötter.
Fazit
Das angesprochene Bild fußt meiner Meinung nach auf die Visionen von Ezechiel und beinhaltet fälschliche Ansichten über das Spätmittelalter.
LG Agonis