Guten Tag, ihr Lieben,
Ich übersetzte mir zur Zeit zu persönlichen Studienzwecken Teile eines Klassikers zur Qabbalah, „Garten der Granatäpfel" (A Garden of Pomegranates) von Israel Regardie und bin dabei schon früh über das ominöse Wort „skrying" und andere Begriffe („spirit vision") gestolpert, die sich nicht ohne Weiteres ins Deutsche übertragen lassen. Ich habe da einige Überlegungen angestellt, die ich gern mit Euch teilen würde. Vielleicht kann der eine oder andere ja etwas dazu beitragen oder hat bessere Ideen als ich?
Zunächst ein wenig zur Herkunft und Geschichte des Verbs „skry"/scry":
·Die Variante mit "k” scheint einer ähnlichen Gesetzmäßigkeit zu folgen wie Crowley's "magic vs. magick", also die Abgrenzung von Zaubertricks auf der Bühne (magic) zur esoterischen Disziplin (magick) - das ist jedoch nur eine Spekulation von mir beruhend auf dem Kontext, in dem ich die beiden Wörter vorgefunden habe.
- Das Verb „scry" ist abgeleitet vom mittelenglischen Verb „descry" (mit der Bedeutung „erblicken, aus der Ferne erspähen"), das widerum auf das altfranzösische Verb descrier zurückgeht („verkünden, ausrufen")
- Moderne Wörterbücher übersetzen es als wahlweise als „hellsehen" oder „wahrsagen".
- Einsprachige Lexika (z. B. die englische Wkipedia) weisen darauf hin, dass mit „scrying" ausschliesslich das Wahrsagen/Hellsehen mit Hilfe einer Kristallkugel, eines Spiegels, einer Schale mit Wasser oder einer anderen spiegelnden, glänzenden oder durchsichtigen Oberfläche gemeint ist, die eine Trance induzieren und so das Wahrsagen erst ermöglichen oder vereinfachen soll
„Hellsehen/Wahrsagen mit/auf dem Lebensbaum" bietet sich hier nicht an, weil im Deutschen beide Begriffe das Bild einer Zukunftsdeutung, bzw. der Konsultation eines Orakels entstehen lassen. Das ist jedoch keine angemessene Beschreibung, weil der Lebensbaum hier nicht als Orakel, sondern sozusagen als Meditationswerkzeug verwendet wird - also ziemlich genau so, wiedie Kristallkugel, der Spiegel, die Wasserschale auch nur als Hilfsmittel dienen, um die in Trance empfangenen Bilder wiederzugeben. Um halbwegs angemessen zu beschreiben, welcher Tätigkeit man beim „skrying" nachgeht, ist mir das Wort „Visionsarbeit" eingefallen - vielleicht nicht perfekt, aber es erzeugt ungefähr die richtige Vorstellung und klingt auch in Zusammensetzungen für mein Empfinden nicht gar zu ausgefallen: „Skrying on the Tree of Life" = „Visionsarbeit mit dem Lebensbaum".
Weitere Überlegungen waren „meditative / kontemplative Versenkung / Erforschung" als Übersetzung des durch „skrying" beschriebenen Prozesses, das hat aber beides den Nachteil, ziemlich lang und wenig griffig zu klingen.
Später taucht „skrying" nochin weiteren Zusammensetzungen auf:
Skrying als Ergebnis des Prozesses: narrated skrying = erzählte Vision (wäre hier meine Übersetzung in Übereinstimmung mit den obigen Überlegungen).
Skrying als Perspektive wie in Skrying vs. traveling (in the spirit vision): hier steht das skryingfür die Beobachterperspektive (von außen hineinsehen), das traveling für die Ichperspektive (persönlich in der Vision anwesend sein). Das läßt sich eigentlich am schwersten übersetzen:
„traveling in the spirit vision" wäre mit Geistreisen angemessen wiedergegeben, denn das ist der gängige Begriff dafür - er sagt nur leider nichts zur Perspektive.
„skyring in the spirit vision" müßte analog als „Geistiges Sehen/Spähen" o. ä. wiedergegeben werden. Auch hier fehlt der Bezug zur Perspektive und würde jedesmal weitere Anmerkungen nötig machen, damit man „traveling" von „skrying" überhaupt unterscheiden kann.
Der Raum, der bereist oder angesehen wird, ist die „spirit vision", das geistige Auge, der Seelenraum, die Astralebene. Die „vision" steht hier tatsächlich nicht für Visionen, sondern für die geistige Sicht, das geistige Sehvermögen.
Daher würde ich hier für „spirit vision" die Übersetzung „Astralebene" wählen, auch wenn das eine leichte Bedeutungsverschiebung (von der Technik hin zum Ort, wo die Technik angewandt wird) mit sich bringt. Es würde allerdings relativ eindeutige, unterscheidbare deutsche Begriffe für beide Spielarten erzeugen:
Skrying in the spirit vision: Visionsarbeit auf der Astralebene (= statisches Sehen, Hineinblicken in die Astralebene)
Traveling in the spirit vision: Reisen auf der Astralebene (= sich „aktiv" auf der Astralebene bewegen, als komplettes geistiges Abbild der eigenen Person).
Ich würde mich sehr über Meinungen, Kommentare, alternative Vorschläge sehr freuen! :-)
Lux,
Peregrina