Prometheus

Re: Prometheus

by Innozenz -
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Du stellst sehr viele interessante Fragen zu Prometheus. Ich habe die Geschichte gar nicht so tief hinterfragt. Dennoch kann ich einige Anmerkungen machen.

Deine zentrale Frage scheint sich um Prometheus Motive zu drehen und inwiefern man bei den griechischen Sagen von "Erbarmen" sprechen kann. Der terminus technicus in der Theologie dafür wäre - du referierst ja auch auf Jesus - Gnade. Und das lässt sich sagen: Letztere gibt es in den griechischen Sagen nicht. Es mag hier und da Akte von Zuwendung und Erbarmen geben, aber Gnade im vollen Sinne kann es gar nicht geben. Schließlich geht das alt- und das neutestamentliche Bild von dem Sündenfall aus. Damit sind wir alle Sünder, was sich in unserem grundsätzlichen Getrenntsein von Gott zeigt. Die Griechen kennen eine solche grundsätzliche Trennung nicht. Vielmehr leben die Götter regelrecht unter den Menschen. Gnade bedeutet, dass Gott sich selbst in Jesus wieder in die Welt begibt. Dadurch wird der Aufstieg der Menschen möglich. Prometheus vollzieht den umgekehrten Weg von Christus: Er geht nach oben, um den Menschen weiter zu Gott zu erheben. Während also der christliche Mensch davon ausgeht, dass Gott uns erhöht, indem Gott sich erniedrigt, geht der Grieche davon aus, dass sich der Mensch selbst erhöhen kann und zum Gott wird (siehe Herakles und Konsorten). Prometheus Motive sind für mich recht klar: Vergottung und Ermächtigung des Menschen als selbstbestimmtes Individuum. Diese Selbstbestimmung ermöglicht das Feuer.

Ich persönlich finde den christlichen Weg der Verbindung von höherem Ich (Gott) und niederem Ich (Mensch) eindrücklicher und logischer. Die erste Bewegung muss immer von dem höheren Ich ausgehen und erst einmal das gewöhnliche Denken durchbrechen. Das ist aber keine Wahrheitsfrage, sondern meine persönliche Ansicht.
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Re: Prometheus

by soso (M) (R1) -

Ich danke dir für deine interessante Antwort.

Du hast mir ein paar gute Ansätze geliefert, um weiter darüber nachzudenken.

Ich finde gerade eben der Sachverhalt fazinierend, dass es in der griechischen Mythologie kein Erbarmen gibt, wie du auch bestätigt hast, dies liegt in der Religionsauffassung begründet, es gibt die Trennung von göttlichen und menschlichen Bewusstsein noch nicht. 

Ich frage mich hier an dieser Stelle, wie und warum ist es aber zur Trennung gekommen, wie sind wir zu unseren Verständnis des göttlichen gekommen, geht mit der Trennung auch immer eine vermeintliche Entwicklung einher. 

Oder ist es nur eine Täuschung deren wir als Gesellschaft, als zivilisatorische Wesen aufsitzen.

Oder ist es vielleicht notwendig, das es zuerst einer Trennung Bedarf um wieder die Entfernung vom göttlichen wahrzunehmen um dann wieder näher zukommen, so wie kulturtechnisch immer eine helle Phase von einer dunklen Phase abgelöst wird. 

Liebe Grüsse 

In reply to soso (M) (R1)

Re: Prometheus

by Innozenz -

Deine Fragen sind tatsächlich interessant. Du fragst nach einer spirituellen Evolution: Hat es einen höheren Sinn oder Zweck, dass in bestimmten geschichtlichen Phasen Menschen sich mehr und weniger mit dem Göttlichen verbunden fühlen? Ich glaube es wäre geradezu vermessen, hierauf eine abschließende Antwort zu geben. Ich kann von mir nicht sagen, einen Standpunkt zu haben, von dem ich die Evolution überblicke.

Vor einem Missverständnis möchte ich aber doch bewahren. Es mag so scheinen als habe sich die Trennung von menschlichem und göttlichen Bewusstsein erst in der Neuzeit vollzogen. Dahinter steht dann die romantische Auffassung eines ursprünglichen und besseren Zeitalters. Ich weiß nicht, ob die geschichtlichen Befunde das hergeben. Man vergleiche nur einmal das Alte Testament und die griechischen Mythen. Gerade im älteren Alten Testament findet man eine TRennung von göttlicher und menschlicher Sphäre. Dort erscheint Gott nie direkt, sondern hinter einem - wortwörtlich im Hebräischen - Schleier. Diese Tradition kennt man auch von den Persern. Der Mensch kann Gott nur indirekt wahrnehmen, weil Gott sein Bewusstsein offenbar über alle Maßen übersteigt. Bei den späteren Griechen findet dann eine deutliche Anthropomorphisierung der Götter statt, welche sich beispielsweise in den anatomisch genauen Götterbildern niederschlägt. Und erst nach der griechisch-römischen Kulturepoche findet dann wieder eine stärkere Trennung der beiden Gebiete statt. Die Geschichte verläuft - meiner Beobachtung nach - eher zirkulär im Kreis als evolutiv auf einer Linie...


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Re: Prometheus

by soso (M) (R1) -

Hallo Innozenz,

"Du fragst nach einer spirituellen Evolution: Hat es einen höheren Sinn oder Zweck, dass in bestimmten geschichtlichen Phasen Menschen sich mehr und weniger mit dem Göttlichen verbunden fühlen? Ich glaube es wäre geradezu vermessen, hierauf eine abschließende Antwort zu geben." Du brauchst keine abschließende Antwort zu geben, aber darüber gemeinsam nachzudenken, ist schon spannend...

" Ich kann von mir nicht sagen, einen Standpunkt zu haben, von dem ich die Evolution überblicke."

Ich will das auch nicht von mir behaupten, (Standpunkt alles zu überblicken) aber ich denke genau das ist unser Ziel in der Mysterienausbildung. Ohne Weitblick können wir keine weitreichenden und nachhaltigen Entscheidungen treffen im Sinne der spirituellen Entwicklung. Es gilt dem Fluss der Evolution näher zu kommen im besten Fall auf ihm zu reisen und im Falle schneller wie der Fluss zu sein, diesen auch mitzugestalten, in unserem Fall bewusst zu gestalten.

"Vor einem Missverständnis möchte ich aber doch bewahren. Es mag so scheinen als habe sich die Trennung von menschlichem und göttlichen Bewusstsein erst in der Neuzeit vollzogen."

Das denke ich auch nicht, aber ich muss zugeben, das ich in diese Falle ganz gerne hin und wieder tappe, ... Vielleicht nicht ganz unbegründet, da in keinem anderen Zeitalter die technische Errungenschaften so voranschreiten und das ist jetzt ziemlich überspitzt ausgedrückt, die Spiritualität und magie ablöst, (ob gut oder schlecht, diese Diskussion möchte ich bewusst aussparen) solche Zeiten hat es in der Geschichte schon öfter gegeben, Sie die hochziviliesierte Gesellschaft des römischen Reiches mit all seinen Errungenschaften in antiken Rom... Und wenn man sich die Baukunst betrachtet gibt es hier auch immer wieder eine Pendelbewegung vom dunklen zur hellen architektur, damit ist auch die geistige spirituelle Welt eng verknüpft, welche jede Epoche so 80 Jahre währt kann man in der sakralarchitektur wunderbar beobachten, mythische Gotik --- dunkel, Barock----- zuckerfarben und hell, Klassizismus ---- dunkel ...

Was ich damit sagen will ist dass es eher eine Pendelbewegung ist oder eine Sinuskurve auf der Achse ist die religiösität und die Menschheit pendelt von der göttlichen Verbundenheit einmal näher zu und weg. Es wäre deshalb nicht schlecht zu begreifen ob momentan wir in einer wegbewegend sind oder näher ran kommen, um den Strom der Evolution vorherzusagen und diesen auch Mitgestaltung zu können, braucht es vielleicht zuerst das Wissen darum wie dieser überhaupt funktioniert, ....aber vielleicht verhält es sich auch wie mit Börsen Kursen hier soll man auch nie von der Vergangenheit auf die Zukunft schließen.

"Dahinter steht dann die romantische Auffassung eines ursprünglichen und besseren  .......... Und erst nach der griechisch-römischen Kulturepoche findet dann wieder eine stärkere Trennung der beiden Gebiete statt. Die Geschichte verläuft - meiner Beobachtung nach - eher zirkulär im Kreis als evolutiv auf einer Linie..."

Das finde ich total interessant diese Überlegungen die du da pflegst, könnte es nicht auch eine Spirale sein die sich von einem Punkt wegbewegt sein, an einer Achse verlaufend und immer wieder von der Achse in Form einer Sinuskurve weiter dreht und bewegt...und wieder einen Kreis bildet. 

Aber die Frage bleibt wie können wir unsere Handlungen am Strom der Evolution ausrichten?

Im kleinen durch ethnisches Verhalten unseren Mitmenschen gegenüber, oder durch ersinnen neuer Visionen ...

Was denkst du?

In reply to soso (M) (R1)

Re: Prometheus

by Innozenz -

Liebe soso,

danke für deine - wie immer interessanten - Rückmeldungen. Du schreibst "Ich will das auch nicht von mir behaupten, (Standpunkt alles zu überblicken) aber ich denke genau das ist unser Ziel in der Mysterienausbildung." Ich frage: Ist dieses Ziel realisierbar? Ich finde es schon ausreichend und sehr viel, wenn ich in meinem Leben eine Richtung mir vorgebe. Große Zusammenhänge haben den Vorteil eines Eingebundenseins des Kleinen im Großen und den Nachteil des Ignorierens des Kleinen zugunsten des GRoßen. Zumindest kenne ich nicht wenige ESoteriker, welche sich hroße Themen auf die Fahnen schreiben (allen voran das "Wassermannzeitalter" und ähnliches"), die aber ihren Alltag nicht gerade ethisch leben. Das muss aber kein Gegensatz sein. Ich selber stecke mir eher hohe und über mich hinausgehende, aber doch erreichbare Ziele. 

Deine Gedanken zur Architektur würde ich gerne noch bereichern. Ich halte Gebäude und Bilder - vermutlich wie du auch - für einen physischen Ausdruck eines Epochengeistes (ja hier hänge ich dem alten Hegel an). Sowohl in gothischen Kirchen als auch in griechischen Tempeln (mehr Ruine als Tempel) habe ich oftmals mich in andere Epochen einfühlen können. Gerade Kirchen eines bestimmten Types wurden ja auch früher gebaut, um die Seelen anhand irdischer Formen (die sie noch kennen) langsam in das Unbekannte Reich Gottes zu führen. Deswegen sind FRiedhöfe noch heute kirchennah. Letzteres haben die Griechen und Heiden nie verstanden und an den ersten Christen immer kritisiert. Griechische FRiedhöfe waren weit außerhalb der Städte. Ich könnte mich in dem Thema verlieren. Aus Zeit- und Arbeitsgründen belasse ich es bei den kurzen Bemerkungen.

Früher hätte ich die Evolution auch eher als aufwärtsgerichtete Spirale zwischen zwei Polen beschrieben. Ich finde aber zunehmend den buddhistischen Gedanke eines Kreises stimmig. Wenn ich mir PHilosophie, Politik, mein Leben und vieles mehr anschaue, würde ich eher von einem Kreis sprechen. Aber ich habe hier keine end-gültigen Antworten. Sondern nur Ein-drücke. Der Gedanke einer prpgressiven Bewegung der gEschichte ist übrigens die Geminsamkeit der abrahamitischen Religionen schlechthin gegenüber den östlichen Religionen. Wir haben schon immer deswegen die Reinkarnation westlich gefärbt, indem wir sie als aszendente und aufsteigende Bewegung zur Selbstoptimierung eingefärbt haben.

Was denkst du: Ausrichtung an großer Vision oder kleinen Schritten? Der vermintlich schöne Kompromiss wäre: Die kleinen Schritte orientieren sich immer an einem größerem Kontext. Ist das aber tatsächlich so? Ich kenne zu viele Menschen ohne Vision, die ein gutes Leben führen, als dass ich mich mit dieser Lösung zufrieden geben würde. Was denkst du? Ich selber halte mich mehr an das Kleine.
 Anders formuliert: Ich töte niemanden, nicht weil es mir ein größerer ZUsammenhang (Evolution, Kant, Bibel etc.) verbietet, sondern, weil ich niemanden töte. Mein schlechtes Gewissen, meine Instinkte, alles gibt mir mein Handeln deutlich vor.... Was bei weniger gravierenden Beispielen nicht zwangsläufig dazu führt, dass ich das Richtige tue. Aber ich kenne es praktisch immer. Ich denek, das geht den meisten Menschen so...